Mittwoch, 24. August 2011

Jammern als unprofessionelle Methode

In letzter Zeit hört man wieder mehr von der Polizei. Immer häufiger hört man dabei Gejammer: Die Gewalt gegen Polizisten nehme zu und werde immer schlimmer; dann wollte auch noch jemand den armen geschundenen Beamten eine Kennzeichnungspflicht auferlegen, dazu die ganzen Islamisten, Fußballfans, Demonstranten usw. usw.

Und jetzt das. Rafael Behr, seines Zeichens Professor für Polizeiwissenschaften (ja, auch so etwas gibt es) an der Hochschule der Polizei in Hamburg wirft der Polizei vor, sie jammere zuviel. Und Professor Behr scheint zu wissen wovon er spricht, denn er war früher selbst Streifenpolizist. Die Kritik kommt also nicht aus dem Elfenbeinturm, sondern sozusagen aus der eigenen Mitte. Unsinn sei es, sagt Professor Behr, wenn die Gewerkschaft der Polizei immer wieder behaupte, die Gewalt gegen Polizisten hätte zugenommen. Zugenommen habe lediglich die subjektive Wahrnehmung, dass die Gewalt steige (jeweils zitiert nach Hamburger Abendblatt online vom 24.08.2011).

Aber die Anzahl der gravierenden Verletzungen, die nehme radikal ab. Jammern hingegen habe bei der Polizei "eine gewisse Tradition". Es werde kollektiv gestöhnt mit dem klaren Ziel, Aufmerksamkeit zu erzeugen, Rückhalt in der Öffentlichkeit und finanzielle Ressourcen bei der Politik zu sichern. Das sitzt. Und Professor Behr wird noch deutlicher:

"Dass sich die Polizei als Opfer darstellt, ist unprofessionell", sagt er. Schließlich wolle der Bürger von der Polizei geschützt werden, und nicht deren Gejammer ertragen. "Wenn sich die Beschützer jedoch als Opfer ... definieren, entstehen Irritationen in der Bevölkerung." Wohl war, Herr Professor.

Das große Problem sei, dass jungen Beamten von Kollegen von Anfang an eingetrichtert werde, dass sie mit dem Rücken zur Wand stünden. Die Folge: Schon die Berufsanfänger entwickelten Strategien, die im Fachjargon unter dem Begriff "defensive Solidarität" zusammengefasst würden. Der Polizist stufe seine Umgebung von vornherein als feindlich ein. Er kapsele sich ab, traue nur noch seinen Kollegen und unterscheide nur noch zwischen "wir" - den Polizisten - und "ihnen" - nämlich allen anderen.

Es ist erfreulich, einmal das, was man als Strafverteidiger regelmäßig erlebt, von berufener Stelle bestätigt zu bekommen.

Aber der Umstand selbst ist erschütternd.




4 Kommentare:

  1. Der Artikel liest sich wie ein Expose für einen Job im Innenministerium. Für die Beamten, welche trotz Streichungen und Ignoranz von höheren Stellen alles möglich machen (und dann zu hören bekommen: "Sehen Sie, es geht doch."), ist so eine Äußerung wie sie der Herr Behr getätigt hat ein Schlag ins Gesicht. Natürlich gibt es auch in den Reihen der Polizei Mitarbeiter die zum einen jammern und sich zum anderen nicht verändern wollen, aber das gibt es sicher überall. So eine polemische und verallgemeinernde Aussage zeugt wohl doch eher von fehlendem Verständnis oder zu viel Distanz zur Basis. (von untauglichen statistischen Vergleichen mal ganz abgesehen) Auf alle Fälle zeigt sie aber ein Fehl an Demut gegenüber einer idealistisch hoch motivierten und mit viel Engagement arbeitenden Berufsgruppe.

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  2. @a.el farran:
    Wie hoch das "Engagement" mancher Polizisten ist, hat man gesehen und sieht man immer noch bei den (durch das Grundgesetz geschützten) Demonstrationen zu Stuttgart 21 oder der Sammelwut von Handydaten in Sachsen durch die Polizei. Auch finde ich das fehlen jeglicher Demut gegenüber der Polizei vollkommen rechtsmäßig. Solche Forderungen passen doch eher zu totalitären Dikaturen

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  3. Typo? "Wohl wa(h)r, Herr Professor."

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  4. Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst hingebogen hast.
    Wenn Behr feststellt, dass die Anzahl der gravierenden Verletzungen "radikal" abnehme, beruht dies unter anderem darauf, dass Polizeibeamte zunehmend mit - teilweise privat beschaffter, der Dienstherr ist da gelegentlich geizig - Ausrüstung für Selbstschutz sorgen. Und dass Schutzausrüstung (Stichschutzwesten, schusssichere Westen, flammhemmende Kleidung, Protektoren) heute leichter und alltagstauglicher ist als vor 30 Jahren, als Herr Behr seine Polizeiausbildung machte. Damals gab es schusssichere Westen,deren Gewicht und Aufbau (Keramikplatten) einen normalen Streifenbeamten in einen bewegungsunfähigen Roboter verwandelten.
    Diese Effekte einer qualitativ besseren Schutzkleidung und -ausrüstung müssten also herausgerechnet werden, ehe man den Schluss zieht "weniger gravierende Verletzungen, also weniger (intensive) Angriffe". Und das sollte auch Herr Behr wissen, alles andere wäre unseriös.

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