Mittwoch, 25. April 2012

Kleine Buchstaben und lange Worte

Der Bundesgerichtshof hat zum Phishing und Pharming geurteilt, was z. B. hier (Sebastian Dosch), hier (Thomas Stadler) oder hier (Jens Ferner) bereits kommentiert wurde. Der ungefähre Inhalt des Urteils darf daher als bekannt voraus gesetzt werden.

Aber wie einige der Kommentatoren zutreffend bemerken, war dem Urteil die alte Rechtslage zugrunde zu legen. Dieser Umstand hat mich auf ein Monster aufmerksam gemacht. Dieses Monster heißt § 675v BGB und hat sich offenbar für viele unbemerkt in das BGB eingeschlichen. Hier ist er noch mal zum nachlesen. Schon die nicht-offizielle Überschrift der Norm weckt Freude und Begeisterung: "Haftung des Zahlers bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments". Das letzte Wort nochmal: "Zahlungsauthentifizierungsinstrument". Das wären 50 Punkte beim Scrabble, doppelte oder dreifache Wort- oder Buchstabenwerte noch nicht mit eingerechnet!

Inhaltlich steht in der Norm eigentlich nicht viel mehr drin als die Gesetzeslage auch ohne die Norm bereits regelte; allerdings wird der Verschuldensgrad neu geregelt. Das dürfte jedoch eher von sekundärer Bedeutung sein, weil das Verschulden eine normative Angelegenheit ist, die sich im Zweifelsfall nur am Einzelfall orientiert. Im ausgeurteilten Fall wäre man wohl zum selben Ergebnis gekommen - aber wie gesagt: Das ist mehr eine Frage des Geschmacks.

Entsetzlich ist die Norm selbst: Lang, umständlich und praktisch unverständlich. Der kleine Buchstabe "v" deutet an, dass dieses Monster noch eine ganze Reihe Kumpane mit eingeschleppt hat, die die Buchstaben b - u unter sich aufteilen. Da haben die Rechtsausschüsse der Parteien wieder so lange getagt, bis aus einem Inhalt ein Wust geworden war und haben den dann verabschiedet.

Dabei haben sie sich sogar ein neues Wort ausgedacht. Ich wiederhole es hier nicht noch einmal.

Diese Zeit hat einfach keinen Beruf zum Gesetzemachen.


4 Kommentare:

  1. Tja, die Geldkarte heißt jetzt "Kleinbetragszahlungsinstrument", der Girovertrag "Zahlungsdiensterahmenvertrag".
    Ein Federstrich des Gesetzgebers sorgt dafür, dass ganze Wälder abgeholzt werden und Tintenströme fließen, um die neuen Wortungetüme in neue Gesetzbücher zu drucken. Und dass man sich beim Scrabble darüber streitet, ob es solche Wörter wirklich gibt.

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  2. Und im Bundesbankgesetz werden Euro-Banknoten als einziges gesetzliches Zahlungsmittel normiert, doch versuch mal bei Gericht einen Vorschuss in bar einzuzahlen.

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  3. In dem Kapitel geht aber nichts über § 675s, der da so wunderbar erklärt: "Bei einem vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsvorgang ist der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers verpflichtet, den Zahlungsauftrag dem Zahlungsdienstleister des Zahlers innerhalb der zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister vereinbarten Fristen zu übermitteln."

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  4. @ Simon Lackerbauer: Ich bin erschüttert. Das von mir entdeckte Monster hat in seiner Sippschaft noch einen großen Bruder!

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